Dr. Daniel Thaler 04. Mai 2021

Wie lösche ich alte Dienstbarkeiten.

Welche Tatbestände bewirken eine Löschung?

Unbefristete Dienstbarkeiten haben grundsätzlich «ewige» Gültigkeit. Nur ein qualifizierter Interessenverlust des Berechtigten erlaubt einem Belasteten, die Löschung zu erzwingen.

Dienstbarkeiten sind Nutzungs- und Gebrauchsrechte in Form beschränkter dinglicher Rechte. Dem Berechtigten kommt die Befugnis zu, ein Grundstück in bestimmter Hinsicht zu nutzen bzw. zu gebrauchen. Die konkreten Rechte und Pflichten ergeben sich aus dem Grundbucheintrag und ergänzend aus dem Dienstbarkeitsvertrag, mit welchem die Servitut vereinbart wurde. Aus Sicht des Belasteten geht es grundsätzlich um ein Dulden oder Unterlassen zugunsten des Berechtigten. Zu unterscheiden ist zwischen Grunddienstbarkeiten und Personaldienstbarkeiten. Bei der Grunddienstbarkeit ist der jeweilige Eigentümer der betroffenen Grundstücke berechtigt bzw. belastet. Bei der Personaldienstbarkeit ist der jeweilige Eigentümer eines Grundstücks belastet, hingegen berechtigt ist eine Person oder auch etwa eine Gemeinde oder Stadt. Nebst Nutzniessung und Wohnrecht sowie Baurecht sind in der Praxis Grunddienstbarkeiten wie Fuss- und Fahrwegrechte, Parkierungsrechte, Näher-, Höher- und Überbaurechte, nachbarliche Erschliessungsdienstbarkeiten, Gewerbebeschränkungen sowie Bau- oder Bauhöhenbeschränkungen, z.B. sog. «Villenservitute», häufig. In letzteren Fällen wird dem belasteten Grundeigentümer untersagt, seine Liegenschaft (vollumfänglich) nach den Möglichkeiten der kommunalen Bau- und Zonenordnung bzw. der Baugesetzgebung auszunutzen. Das kann nicht nur lästig sein, sondern im Vergleich zu anderen Grundstücken im Quartier eine empfindliche Verkehrswertminderung nach sich ziehen.

Welche Tatbestände bewirken eine Löschung?

Dienstbarkeiten kennen verschiedene Untergangsgründe. Zunächst können sich Berechtigte und Verpflichtete entgeltlich oder unentgeltlich auf einen Verzicht einigen (Verzichtsvereinbarung). Weiter kann der Dienstbarkeitsberechtigte einseitig auf sein Recht verzichten, sofern bei gemeinschaftlichen Vorrichtungen (z.B. Heizanlage) nicht (für maximal 30 Jahre) die Unterlassung des Ausscheidens vereinbart wurde. Die Löschung der Dienstbarkeit hat auch bei Eintritt einer bei Dienstbarkeitserrichtung vorgesehenen Befristung oder (Resolutiv-)Bedingung zu erfolgen. Dienstbarkeiten können sodann infolge Ablebens des Berechtigten (bei Personaldienstbarkeiten), bei einer Zwangsverwertung des betreffenden Grundstücks (bei einem sog. Doppelaufruf) oder durch Ablösung auf Basis öffentlichen Rechts (namentlich kantonaler Baugesetzgebungen) untergehen sowie im Falle des Untergangs des berechtigten oder belasteten Grundstücks. Schliesslich kann unter bestimmten Umständen eine Löschung durch richterliche Ablösung der Dienstbarkeit erfolgen, worauf unten noch näher eingegangen wird.

Die Löschung selbst erfolgt auf Grundlage einer Löschungsanmeldung des Dienstbarkeitsberechtigten oder eines ausgewiesenen Löschungsantrags des Dienstbarkeitsbelasteten. Im letzteren Fall sind erforderliche Zustimmungen des Dienstbarkeitsberechtigten und gegebenenfalls eines Drittpfandgläubigers (Hypothekenbank) beizubringen und/oder Nachweisdokumente wie z.B. der Todesschein beim Tod des Personaldienstbarkeitsberechtigten vorzulegen. Werden berechtigte und belastete Liegenschaft vom gleichen Eigentümer erworben, so entsteht eine Eigentümerdienstbarkeit, und die Dienstbarkeit kann (muss aber nicht) gelöscht werden.

Bei einem Eintrag, der höchstwahrscheinlich keine rechtliche Bedeutung mehr hat, kann der belastete Eigentümer unter Darlegung entsprechender Umstände und Vorlage von Belegen die Löschung in einem erleichterten Verfahren verlangen. In solchen Fällen, soweit das Grundbuchamt das Löschungsbegehren für begründet hält, teilt dieses der berechtigten Person mit, dass es den Eintrag löschen werde, wenn nicht innert 30 Tagen Einspruch oder gegebenenfalls in der Folge innert drei Monaten Klage erhoben wird. Ein Sondertatbestand liegt dann vor, wenn die Auslegung der Servitut ergibt, dass der Eintrag ungerechtfertigt ist und deshalb mittels Grundbuchberichtigungsklage die Löschung oder Abänderung der Dienstbarkeit verlangt werden kann. Schliesslich besteht anstelle der Löschung bei Interessennachweis und Kostenübernahme u.U. die Möglichkeit der Verlegung der Dienstbarkeit, etwa eines Wegrechts, auf eine andere, aus Sicht des Berechtigten nicht weniger geeignete Stelle.

Wann kann eine Löschung gegen den Willen des Dienstbarkeitsberechtigten erzwungen werden?

Unbefristete, nicht resolutiv-bedingte oder nicht auf Lebensdauer errichtete Servitute haben «ewige» Gültigkeit. Dienstbarkeiten unterliegen keiner Verjährung. Selbst die jahrzehntelange Nichtausübung führt grundsätzlich nicht zum Untergang einer Dienstbarkeit. Sie zieht keine «Versitzung» nach sich. Allerdings sieht das Gesetz folgenden Ausgleichsmechanismus im Sinne einer einseitigen Löschungsmöglichkeit durch den Belasteten vor (Art. 736 ZGB):

«Hat eine Dienstbarkeit für das berechtigte Grundstück alles Interesse verloren, so kann der Belastete ihre Löschung verlangen.

Ist das Interesse des Berechtigten zwar noch vorhanden, aber im Vergleich zur Belastung von unverhältnismässig geringer Bedeutung, so kann die Dienstbarkeit gegen Entschädigung ganz oder teilweise abgelöst werden.»

Bedeutungslos gewordene Dienstbarkeiten sollen also gelöscht werden können. Massgeblich für die gesetzliche Interessenabwägung ist das Interesse des berechtigten Grundeigentümers an der Dienstbarkeitsausübung in korrekter Auslegung des Inhalts und Umfangs der Dienstbarkeit, wie es sich primär aus Grundbucheintrag, sekundär aus dem Dienstbarkeitsvertrag und subsidiär aus längerer unangefochtener und gutgläubiger Ausübungsart ergibt (vgl. Art. 738 ZGB).

Alles Interesse an einer Dienstbarkeit ist gemäss Art. 736 Abs. 1 ZGB dann verloren, wenn die Ausübung unmöglich geworden ist oder die Servitut für den aktuellen Eigentümer (auch künftig) keinerlei Bedeutung mehr hat, beispielsweise weil die mit einem Weiderecht belastete Liegenschaft bebaut und in ein Wohnquartier integriert wurde. Dasselbe gilt nach dem Grundsatz der Identität der Dienstbarkeit bei einem zwar noch bestehenden Interesse, das aber nicht mehr der ursprünglichen Bedeutung entspricht, wie etwa bei einem Wegrecht, welches zum Zwecke der Zugangssicherstellung zu einem inzwischen abgerissenen Schulhausareal errichtet wurde und nun für die Zufahrt zu einem Geschäft genutzt wird. Hingegen besteht ein Interesse auch dann noch weiter, wenn der Dienstbarkeitsinhalt inzwischen auch von der neueren Baugesetzgebung abgedeckt ist.

In die Kategorie von Art. 736 Abs. 2 ZGB (Ablösung nur gegen Entschädigung) gehören Fälle unverändert vorhandenen Interesses des Berechtigten, das aber durch Zunahme der Belastung unverhältnismässig gering geworden ist, sofern dafür nicht der belastete Eigentümer selbst verantwortlich ist. Das Missverhältnis zwischen Interesse und Belastung kann sich auch aus einer Abnahme des Interesses beim Berechtigten ergeben. Es geht hier mithin stets um die Veränderung der Interessenlage zum Nachteil des Dienstbarkeitsbelasteten, die nach Dienstbarkeitserrichtung eingetreten ist. Die Belastung durch ein Bauverbot wird nicht deshalb unverhältnismässig, weil die öffentlich-rechtliche Bauordnung neu eine Überbauung oder höheres Bauen zulässt.

Weitere Praxisbeispiele

Der Löschungsanspruch ohne Gegenleistung besteht etwa in folgenden Fällen: Ein Wegrecht ist nicht mehr durchgehend auf allen für dessen Ausübung erforderlichen Grundstücken eingetragen. Es besteht keine Zweckübereinstimmung zwischen einem ursprünglich für die Übertragung elektrischer Energie (Hochspannung) vereinbarten Durchleitungsrecht und der Datenübertragung von Fernmeldediensten. Die Löschung eines Fuss- oder Fahrwegrechts hat auch dann zu erfolgen, wenn es sich um ein Legalservitut (Notwegrecht) handelt und inzwischen ein anderer Grundstückszugang errichtet worden ist. Hingegen ist – nur gegen Entschädigung – ein Bauverbot, das eine Überbauung des belasteten Grundstücks verunmöglicht, teilweise aufzuheben, wenn sich das aktuelle Interesse des Berechtigten an freier Seesicht auch mit einer (weniger einschränkenden) Baubeschränkung realisieren lässt.

Dr. Daniel Thaler, Rechtsanwalt (www.ttlegal.ch).

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